Als Anleger setzen wir durch Produkte wie einen MSCI World ETF auf die positive Entwicklung der Börsen. Die Chance auf noch höhere Renditen möchte sich jedoch kaum jemand entgehen lassen. Die Strategie des faktorbasierten Investierens verspricht genau solche Renditen.
Anstatt auf Prognosen, Meinungen oder die Entwicklung des Gesamtmarktes zu setzen, werden dazu die quantifizierbaren Daten eines Unternehmens herangezogen. Verschiedene Faktor-ETFs, Multi-Faktor-ETFs oder sogar ganze Faktor-ETF-Portfolios versprechen auf diese Weise eine bessere Rendite für unser Investment.
Doch was ist dran am neuen Trendthema? Ist ein Faktor ETF sinnvoll? Und welche der zahlreichen Varianten bietet den besten Mix aus Chancen und Risiken? Ich bin diesen Fragen nachgegangen und habe das faktorbasierte Investieren für dich analysiert.
Das Wichtigste in Kürze:
– Als “Faktoren” bezeichnet man Kennzahlen, anhand derer sich Aktien bewerten und einschätzen lassen
– Verschiedene Faktor-ETFs filtern Unternehmen anhand solcher Faktoren
– Sie versprechen eine Performance, die oberhalb des Marktdurchschnitts liegt (sog. “Faktorprämie”)
– Die höhere Rendite ist mit einem höheren Risiko verbunden
Was ist faktorbasiertes Investieren?
Wenn wir unser Geld an der Börse anlegen, setzen wir es einem gewissen Risiko aus – erhalten im Gegenzug allerdings auch als “Schmerzensgeld” eine Rendite. Dieses Risiko basiert auf der ungewissen Entwicklung der Aktienkurse: vor allem kurzfristig ist nie völlig klar, in welche Richtung sich einzelne Wertpapiere entwickeln.
Seit jeher versuchen Investoren – egal ob Kleinanleger oder professioneller Fondsmanager – durch korrekte Kurs-Prognosen eine möglichst hohe Rendite zu erzielen. Ein ganzes Heer aus Analysten und Experten unterstützt diese Bemühungen tagtäglich mit einer Flut aus Informationen.
In den 90er Jahren kam jedoch die Erkenntnis auf, dass Erfolge an den Börsen nicht unbedingt dank Glaskugel-Lesen, Glück oder dem Gespür der Investmentbanker entstehen. Der Ökonom Eugene Fama zeigte durch seine empirische Arbeit, dass durch eine Reihe von messbaren Faktoren die Rendite und das Risiko von Aktien berechenbar werden.
Dabei werden die Anleger, die ein solches Risiko eingehen, oft mit höheren Gewinnen, der sogenannten “Faktorprämie” belohnt. Bei Erfolg steigert sie unsere Rendite, die durch die (langfristig) positive Marktentwicklung ohnehin entsteht, noch weiter.
In der Praxis läuft faktorbasiertes Investieren (auch “Smart Beta Investing” genannt) fast ausschließlich über börsengehandelte Indexfonds (ETFs) ab. Hierzu kommen verschiedene Faktor-ETFs zum Einsatz, die sich meist auf einen einzelnen Risikofaktor spezialisieren.
Denn beim faktorbasierten Investieren unterscheidet man verschiedene Arten von Risiko (und damit Chancen auf Faktorprämien). Bis heute wurden bereits mehr als 300 solcher Faktoren entdeckt und beschrieben!
Ein Faktor-ETF-Portfolio enthält typischerweise mehrere solcher Funds. Multi-Faktor-ETFs bilden hingegen gleich mehrere Faktoren in einem einzelnen Finanzprodukt ab und sind eine beliebte Alternative. Dennoch bleibt stets die Frage, ob ein Faktor-ETF sinnvoll ist und tatsächlich eine bessere Performance liefert.
Wann ist ein Faktor-ETF sinnvoll?
Ob ein Faktor-ETF sinnvoll ist, hängt maßgeblich von dir und deiner Anlagestrategie ab. Generell bietet faktorbasiertes Investieren eine gute Chance auf Renditen, welche die reguläre Marktentwicklung übertreffen können.
Gleichzeitig ist ein Faktor-ETF-Portfolio recht breit aufgestellt. Durch diese Diversifikation ist das tatsächliche Risiko geringer als bei einem Investment in Einzelaktien. Obwohl wir hier in weniger Wertpapiere anlegen als zum Beispiel bei einem MSCI World ETF, bleiben noch mehr als genug Unternehmen, um einzelne Ausfälle zu kompensieren.
Ein Faktor-ETF ist speziell dann sinnvoll, wenn du höhere Renditen als bei einem MSCI World ETF anpeilst und bereit bist, das zusätzliche Risiko in Kauf zu nehmen. Ein Faktor-ETF-Portfolio oder ein Multifaktor-ETF sind damit hinsichtlich Risiko und Renditechance knapp unterhalb von Einzelaktien zu sehen.
Da es zahlreiche Angebote für Faktor- oder Multifaktor-ETFs gibt, ist der praktische Aufwand für Anleger begrenzt. Sollte ein ganzes Faktor-ETF-Portfolio geplant sein, ist ein regelmäßiges Re-Balancing nötig; davon abgesehen verursacht faktorbasiertes Investieren jedoch wenig Arbeit.
Neben der realistischen Gefahr einer enttäuschenden Rendite könnte auch die zunehmende Bekanntheit des faktorbasierten Investierens ein Problem darstellen: Je größer die Anzahl der Anleger, die dieses Verfahren nutzt, desto geringer der tatsächliche Vorteil. Die Kurse der Aktien steigt dann überproportional und der Vorsprung gegenüber einer “regulären” Rendite schrumpft.
Aufbau eines Faktor-ETF-Portfolios: So investierst du faktorbasiert
Für das Smart-Beta Investment stehen mehrere ETFs zur Auswahl. Sie basieren auf einem einzelnen Index und ergänzen diesen durch eine Faktor-Regel. Multifaktor-ETFs bilden eine Ausnahme, da sie – wie der Name schon sagt – mehrere Faktoren abbilden.
Ein solcher Faktor-ETF könnte also zum Beispiel ein MSCI World ETF sein, der um den Faktor “Momentum” ergänzt wurde. Das Resultat wäre dann ein weltweiter ETF, in dem nur Unternehmen enthalten sind, die in der jüngeren Vergangenheit ein starkes Aufwärts-Momentum gezeigt haben.
Die Auswahl an solchen Smart-Beta ETFs ist bereits recht groß und wächst weiter. Möchtest du ein ganzes Faktor-ETF-Portfolio aufbauen, empfiehlt es sich, diese unterschiedlichen Angebote zu mischen. Als Ergänzung zu einer anderen Anlagestrategie können aber auch einzelne Faktor-ETFs oder ein Multifaktor-ETF hinzugefügt werden.
Aktuell gibt es mehrere hundert Faktoren, anhand derer sich Aktien analysieren und unterteilen lassen. Für ein ETF-Investment kommen jedoch nur einige wenige Faktoren infrage. Folgende Produkte erfreuen sich der größten Beliebtheit:
1. Faktor Momentum
Zeigte eine Aktie in den letzten Monaten eine Aufwärtsbewegung, spricht man von einem Momentum. Die Annahme der Investoren, die solche Wertpapiere kaufen, ist, dass sich dieser Trend weiter fortsetzt.
Ein typisches Beispiel für Aktien mit einem solchen Momentum ist Apple. Das Unternehmen hat in den letzten Jahren mit Ausnahme von nur wenigen, kurzen Unterbrechungen immer an Wert gewonnen. Kein Wunder also, dass Apple der größte Posten im MSCI World Momentum Faktor-ETF ist!
Zumindest in der Theorie und Analysen vergangener Entwicklungen hat dieser Faktor eine marktschlagende Rendite erzielt. Dass dies auch in Zukunft der Fall ist, kann natürlich nicht garantiert werden.
Ein Investment in Aktien, die bereits im Aufwärtstrend sind, erscheint Anlegern oft als “zu einfach“. Tatsächlich scheuen aber auch professionelle Investoren nicht davor zurück, solche Titel einzukaufen. Das wiederum befeuert das Momentum und sorgt in vielen Fällen für noch stärkere Kurssteigerungen.
Der MSCI World Momentum Index bildet diese Faktor-Strategie ab. Er konnte, von seiner Erstellung in den 70er Jahren bis heute, einen regulären MSCI World ETF um das Vierfache überbieten!
Langfristig orientierte Anleger konnten hier eine massive Faktorprämie, zusätzlich zu den Gewinnen des gesamten Marktes, realisieren. Bei kurzfristigen Investments waren jedoch auch Verluste durch diese Strategie möglich.
2. Faktor Low Volatility
Ein ETF, der den Low-Volatility-Faktor nutzt, setzt auf Aktien mit besonders stabilen Kursen. Die Annahme ist dabei, dass solche Wertpapiere zwar in Aufschwung-Zeiten weniger Gewinne verzeichnen, aber dafür auch in Krisenzeiten kaum Verluste erleiden. Dabei ist nicht die absolute Rendite entscheidend, sonder die Betrachtung des Rendite/Risiko-Verhältnisses. Vor allem für Großinvestoren sind diese Schwankungen für Quartalsergebnisse und Investorenberichte äußerst wichtig.
Absolut gesehen zeigt aber ein Blick in die Vergangenheit: Low Volatility Faktor-ETFs verzeichneten fast immer eine deutlich schlechtere Rendite als ein Standard MSCI World ETF.
Nur, wenn wir kurze und isolierte Zeiträume aus den letzten Jahrzehnten betrachten, entdecken wir minimale Vorteile. Aus meiner Sicht erscheint ein solcher Faktor-ETF nicht sinnvoll. Selbst in Krisenzeiten konnte er seine vermeintliche Trumpfkarte – die geringe Anfälligkeit für Kurseinbrüche – selten ausspielen.
Dementsprechend ist die Performance des MSCI World Minimum Volatility Index deutlich unter einem generischen MSCI World ETF. Selbst bei einem langfristigen Investment haben Anleger hier lediglich ein Drittel der Rendite erzielt.
3. Faktor Quality
In qualitativ hochwertige Unternehmen zu investieren, ist eine leicht verständliche und sinnvolle Strategie. Ein ETF, der den Faktor Quality betrachtet, wählt solche Firmen anhand ihrer Kennzahlen aus. Dazu werden betriebswirtschaftliche Daten analysiert: liegen stabile Gewinne und ein gutes Gewinnwachstum vor? Ist die Bilanz stabil und die Eigenkapitalrendite sowie der Verschuldungsgrad attraktiv?
Nur die Unternehmen eines MSCI World ETF, die in diesen (und weiteren) Bereichen die Vorgaben des Faktor-ETFs erreichen, gelten als “Qualitätsaktien”. Sämtliche anderen Firmen werden aus dem Angebot entfernt.
Tatsächlich sind solche positiven Unternehmenszahlen, insbesondere steigende Gewinne, einer der Hauptgründe für Kurssteigerungen. Auch in der Praxis ist der Unterschied zu einem MSCI World ETF ohne Quality-Faktor erheblich!
Anleger konnten bei einem längerfristigen Investment in den MSCI World Quality Index etwa die dreifache Rendite erwarten. Dabei war die Performance eines solchen Faktor-ETF fast durchgehend besser als der Ausgangs-Index.
4. Faktor Value
Von einer “Value-Aktie” spricht man gemeinhin, wenn ein Unternehmen sehr gute Kennzahlen aufweist, jedoch an den Börsen unterbewertet ist. Eine solche Diskrepanz zeigt sich zum Beispiel durch ein niedriges Kurs-Gewinn-Verhältnis, ein niedriges Buchwert-Marktwert-Verhältnis oder einen Aktienkurs, der im Vergleich deutlich geringer als der Unternehmenswert ist.
Die Aktien dieser Firmen verfügen über ein enormes Potenzial. Kaum einer weiß dies besser als Starinvestor Warren Buffett, der seinen Erfolg durch ein gezieltes Investment in solche Titel aufgebaut hat.
Für die Umsetzung einer solchen Strategie einen Faktor ETF zu verwenden, erscheint besonders sinnvoll. Die Performance MSCI World Value Indices zeigt eine deutliche Faktorrendite: Etwa den doppelten Ertrag konnten Anleger im Vergleich zum MSCI World erzielen.
5. Faktor Small Caps
An den Börsen gelten Großkonzerne als vergleichsweise sichere Investments, während kleine Unternehmen als besonders riskant eingestuft werden. Wer durch einen Faktor-ETF in Small Caps investiert, nimmt dieses Risiko bewusst in Kauf, um höhere Renditen zu erzielen.
Da kleinere Firmen oft schneller wachsen, versprechen sich Anleger ein höheres Gewinnpotenzial. Tatsächlich scheint diese Rechnung in den meisten Fällen aber nicht aufzugehen.
So zeigt ein Blick auf die Performance deutlich, dass der MSCI World Small Cap Index hinter dem MSCI World zurückbleibt. Wer langfristig auf den Faktor Small Caps setzte, ließ sich dadurch eine deutlich höhere Rendite entgehen.
6. Faktor Dividende
Dividenden-Strategien sind die Klassiker unter den Anlagemethoden. Hierbei werden gezielt Aktien gekauft, die eine regelmäßige Gewinnausschüttung bieten. Dividenden können auch als Faktor bei der Auswahl für einen ETF herangezogen werden.
Verschiedene Kriterien, wie etwa die Dividenden-Historie oder ein regelmäßiger Anstieg der Ausschüttungen, bieten Möglichkeiten zu einem spezialisierten Investment. Dividenden-ETFs basieren häufig auf dem MSCI World High Dividend Yield Index.
Leider zeigt sich im Vergleich zu einem regulären MSCI World ETF eine deutlich schlechtere Performance: Der Index ohne Faktor-Betrachtung erzielte etwa die dreifache Rendite bei einem langfristigen Investment. Kurzfristig waren jedoch auch hier kleine Faktorprämien möglich.
7. Multifaktor-ETF
Ein Multifaktor-ETF nutzt gleich mehrere Faktoren, um eine Auswahl von Aktien zu treffen. Solche Angebote können vor allem für Anleger ideal sein, die von faktorbasiertem Investment profitieren wollen, aber sich nicht die Mühe machen möchten, ein vollständiges Faktor-ETF Portfolio aufzubauen.
Zu den typischen Angeboten zählt zum Beispiel der iShares Edge MSCI World Multifactor UCITS ETF. Er wählt aus dem MSCI World Index Firmen anhand der Faktoren Value, Momentum, Small Caps und Quality aus.
Damit erzielt er eine Performance, die einem MSCI World ETF sehr ähnelt. Die beiden ETFs wechseln die Positionen dabei regelmäßig, sodass von Zeit zu Zeit Faktorprämien erzielt werden können.
Performance des iShares Edge MSCI World Multifactor UCITS ETF (blau) im Vergleich zum “regulären” MSCI World ETF (schwarz) über 3 Jahre.
Fazit: Gute Chancen mit Risiken
Im direkten Vergleich mit einem MSCI World ETF zeigt sich, dass Faktor-ETFs durchaus marktschlagende Renditen bieten können. Gleichzeitig sind solche Angebote mit einem erhöhten Risiko behaftet.
Das Verhältnis von Chancen zu Gefahren ist dabei aber keineswegs übertrieben. Ein Faktor-ETF oder ein ganzes Faktor-ETF-Portfolio sind breit diversifizierte Anlagen, bei denen wir in dutzende oder gar hunderte Unternehmen gleichzeitig investieren.
Das Risiko erheblicher Verluste oder gar eines Totalausfalls ist daher recht gering. Tatsächlich können uns aufgrund schlechter Performance eines Faktor-ETF jedoch Gewinne entgehen. Natürlich besteht aber ebenfalls die Aussicht auf entsprechende Faktorprämien.
Multifaktor-ETFs nehmen dabei eine Sonderrolle ein, da sie Aktien automatisch anhand mehrere Faktoren auswählen. Es handelt sich dabei um vergleichsweise neue Produkte, deren Leistung bisher noch nicht überzeugt hat.
Dennoch unterstellen viele Experten den Multifaktor-ETFs enormes Potenzial und sind bereit, die vergleichsweise hohen Gebühren zu tragen. Für die meisten Anleger dürften jedoch Faktor-ETFs primär als Beimischung zum eigenen Portfolio infrage kommen.
Ob ein solcher Faktor-ETF sinnvoll ist, hängt dabei stets von den eigenen Zielen und der persönlichen Anlagestrategie ab.
FAQ – Häufig gestellte Fragen zu Faktor- und Multi-Faktor ETFs
Welche Faktor ETFs gibt es?
Das Angebot an Faktor ETFs ist sehr umfangreich. Der iShares Edge MSCI World Momentum Factor ETF und der iShares Edge MSCI World Value Factor UCITS ET sind bei Anlegern besonders beliebt.
Die bekanntesten Multifaktor-ETFs sind wohl der iShares Edge MSCI World Multifactor UCITS ETF und der HSBC Multi Factor Worldwide Equity UCITS ETF.
Was ist ein Faktorportfolio?
Mit einem Faktorportfolio setzen Anleger auf Aktien, die anhand verschiedener Kennzahlen (Faktoren) gewichtet sind. Damit unterscheidet sich das Investment von klassischen Anlageformen, bei denen Wertpapiere anhand von Best-Practices, Prognosen, Meinungen oder auch Hoffnung ausgewählt werden.
Was ist ein Multifactor ETF?
Multi-Faktor-ETFs sind Exchange Traded Funds, die auf einem Index basieren, diesen jedoch weiter filtern. Sie nutzen dazu gleich mehrere Faktoren/Kennzahlen. Unternehmen müssen die dort vorgegebenen Werte erreichen oder werden aus dem ETF entfernt.
Was ist der Value Factor?
Unter dem “Value Factor” werden Unternehmen zusammengefasst, die über gute Fundamentaldaten verfügen, aber an den Börsen unterbewertet sind. Solche Firmen konnten in der Vergangenheit höhere Renditen als der reguläre Markt aufweisen – jedoch stets nur für einen begrenzten Zeitraum.
Wie funktionieren gehebelte ETF?
Gehebelte Finanzprodukte nutzen Derivate, um Gewinne und Verluste zu vervielfachen. Investieren wir zum Beispiel in einen dreifach gehebelten ETF und der zugrundeliegende Index steigt um 10 Prozent, würde unser ETF 30 % dazugewinnen (Mal drei, da dreifacher Hebel). Kommt es hingegen zu einem Verlust von 10 %, verlieren wir gleichermaßen 30 %!